2.10 Margarethe, Hedwig und Unionen

Anders Fröjmark, Anne Brædder, Giedrius Janauskas, Małgorzata Dąbrowska

Wie die meisten Länder der Welt wurden auch die Länder im Ostseeraum im Verlauf ihrer Geschichte von zahlreichen Königen beherrscht. Es gab aber auch ein paar Frauen an der Macht, die die Entwicklung der internationalen Politik in der Region geprägt haben. Im 14. Jahrhundert setzten zwei Königinnen ihre Macht ein, um recht ähnlichen Visionen für eine Vereinigung ihrer jeweiligen Einflussgebiete im Ostseeraum umzusetzen.

Dies ist die Geschichte der Hedwig von Anjou (heilige Hedwig von Polen), die 1386 den Grundstein für die „zusammengesetzte Monarchie“ von Polen und Litauen legte, und von Margarethe I., die 1397 Dänemark, Norwegen und Schweden vereinigte. Die Union von Dänemark, Norwegen und Schweden hielt bis 1523 und mit der Hochzeit von Hedwig und Jogaila (Taufname Władysław Jagiełło), dem Großfürsten von Litauen, begann der Prozess, mit dem die polnisch-litauische Union geschaffen wurde, die bis zu Teilung Polens Ende des 18. Jahrhunderts bestand hatte.

Hedwig und die Verbindung von Polen und Litauen

Hedwig von Anjou (1374–1399) war die jüngste Tochter von Ludwig I. bzw. Ludwig dem Großen, König von Ungarn, Kroatien und Polen, und seiner Gemahlin Elisabeth von Bosnien. 1375 vereinbarten ihr Vater Ludwig der Große und Herzog Leopold III. von Österreich ihre Verlobung mit dessen Sohn Wilhelm von Österreich. Dabei dachte Hedwigs Vater vor allem an die Zukunft des Königreichs Ungarn. Nach Ludwigs Tod im Jahr 1382 wurde jedoch Hedwigs ältere Schwester Maria zum „König von Ungarn“ gekrönt.

Der Wunsch des polnischen Adels nach einem König mit Sitz in Polen war so stark, dass Königin Elisabeth von Bosnien sich dem nicht widersetzen konnte. Daher schlug sie vor, Hedwig, die damals jedoch noch in Ungarn lebte, zum Herrscher von Polen zu wählen. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem polnischen Adel wurde Hedwig nach Polen geschickt; ihren künftigen Gemahl Wilhelm von Österreich lehnte der polnische Adel jedoch ab. Im Jahr 1384 wurde sie die erste weibliche Monarchin des Königreichs Polen, wobei sie nach übereinstimmender Meinung polnischer und litauischer Forscher zum „König“ gekrönt wurde. Der Historiker Oscar Halecki berichtet unter Berufung auf den Chronisten Jan Długosz aus dem 15. Jahrhundert, dass Wilhelm in der ersten Augusthälfte 1385 nach Krakau reiste, wo ihm jedoch der Zugang zum Wawel verwehrt wurde. Schließlich wurde das Verlöbnis mit Wilhelm von Österreich aufgelöst und Wilhelm gezwungen, Polen zu verlassen.

Noch im selben Jahr wurde der Akt von Krewo unterzeichnet, nachdem der Großfürst von Litauen, Jogaila, den polnischen Adel und Königin Elisabeth von seinen Vorteilen als bester Heiratskandidat überzeugt hatte. Mit diesem Akt verpflichtete er sich, den katholischen Glauben anzunehmen, Hedwig zu heiraten, den Thron des Königreichs Polen zu besteigen und eine „zusammengesetzte“ Monarchie aus dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen zu schaffen, das 1387 zum Christentum übertrat. Außerdem musste er Wilhelm 200 000 Gulden als Schadenersatz zahlen.

Wie der Historiker Jūratė Kiaupienė zeigt, wurde die Unterzeichnung des Heiratsvertrags, die als Akt von Krewo bekannt ist, von der polnischen Geschichtsschreibung als Gründungsmoment der Union gewertet, mit der Litauen Teil Polens wurde. Jüngere litauische Analysen betrachten den Akt von Krewo dagegen nicht als internationalen Vertrag zur Bildung einer Union, sondern als Unterzeichnung eines Heiratsvertrags, obwohl der lateinische Begriff applicare und seine genaue Übersetzung oder Deutung im Vertrag von Krewo unter Historikern noch immer umstritten ist. Tatsächlich gelang es damals nicht, das Großfürstentum Litauen in den polnischen Staat zu integrieren, was später auch anerkannt wurde, als der Cousin Jogailas, Vytautas, im Jahr 1392 zum Großfürsten von Litauen unter dem nominellen Supremat Jogailas ernannt wurde.

1386 heirateten Władysław Jagiełło (Jogaila) und Hedwig in Krakau. Diese Hochzeit als Vereinigung zweier Monarchen markiert den Anfang der dynastischen Bande zwischen Polen und Litauen. Wenn sie diese Verbindung von Jogaila und Hedwig in einen europäische Zusammenhang stellen, verwenden litauische Historiker den Begriff „zusammengesetzte Monarchie“ – die Verbindung zweier autonomer Staaten unter einem Herrscher – wogegen polnische Forscher der Meinung sind, dass die Heirat die Union von Polen und Litauen und damit die Schaffung eines großen und mächtigen Staates in Ostmitteleuropa ermöglichte. Nach ihrer Heirat mit Władysław behielt Hedwig ihren Status als „König“ bei, fügte ihm weitere Titel hinzu, die sie durch ihren Gemahl gewonnen hatte, und verlor auch nicht ihre Vorrechte. So nahm sie beispielsweise ein Tribut von Petru II (Hospodar des Fürstentums Moldau) entgegen und verhandelte im Jahr darauf mit dem Deutschen Orden über die Rückgabe des Dobriner Lands.

Hedwig war sehr gebildet und hervorragend auf ihre Herrscherrolle vorbereitet worden. Sie war die bei weitem mächtigste Frau im Mitteleuropa des Mittelalters und eine der berühmtesten Herrscherpersönlichkeiten in der Geschichte Polens. Sie heiratete den viel älteren Władysław/Jogaila, um die politische bzw. religiöse Stellung des Königreichs Polen in Ostmitteleuropa zu stärken. Hedwig suchte aber auch den Ausgleich und die friedliche Zusammenarbeit mit dem Deutschen Orden. Ihre Politik trug dazu bei, die polnische und die litauische Armee auf die Schlacht von Tannenberg/Grunwald/Žalgiris gegen den Deutschen Orden vorzubereiten, die größte Schlacht in der mittelalterlichen Geschichte beider Staaten. Die gebildete, diplomatische und fromme Hedwig setzte sich aktiv für die katholische Kirche ein, unterstützte die Wawel-Kathedrale und mehrere Klöster und versammelte die herausragendsten polnischen Intellektuellen ihrer Zeit um sich. Außerdem setzte sie gemeinsam mit Władysław/Jogaila Bildungsreformen um, gründete die Jagiellonen-Universität neu (die nach dem Tod ihres Gründers Kasimir III., Hedwigs Onkel, geschlossen worden war), und gründete dort die theologische Fakultät sowie das litauische Kolleg an der Prager Universität. Unter ihrer Herrschaft entstanden neue Schulen, Hospitäler und Kirchen.

Am 22. Juni 1399 kam ihre Tochter Elisabeth Bonifacia zu Welt; nur drei Wochen später starben Mutter und Kind und wurden in der Wawel-Kathedrale in Krakau beigesetzt. In ihrem Testament vermachte sie ihr gesamtes Privatvermögen der Jagiellonen-Universität, was deren Neugründung im Jahr 1400 ermöglichte. Der Legende nach spendete Hedwig das Zepter des Rektors, die älteste bekannte Insignie einer Universität in Polen und eines der Symbole der Jagiellonen-Universität.

Die Erinnerung an Hedwig in Polen und Litauen

Seit dem 15. Jahrhundert ist der Hedwig-Kult in Polen weit verbreitet. Bestrebungen, sie heiligsprechen zu lassen, und Pilgerfahrten zu ihrem Grab begannen bereits kurz nach ihrem Tod. Hedwig ist Schutzheilige Polens sowie mehrerer polnischer Städte und wurde 1997 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. Der Papst betonte dabei die Rolle der heiligen Hedwig für die Förderung der religiösen und kulturellen Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas. Die Tochter von König Ludwig I, König von Ungarn und Polen, trug als Königin von Polen und Gemahlin des litauischen Großfürsten Jogaila zur Christianisierung Litauens und zur Aussöhnung mit Ungarn bei. Königin Hedwig lehrte ihr Volk, seine Freiheit im Geist der Liebe und Wahrheit auszuüben und kümmerte sich um die Armen, Kranken, Witwen und Waisen. Sie nahm aktiv am politischen Leben ihrer Zeit teil, wobei es ihr gelang, christliche Grundsätze mit den Interessen des Staates in Einklang zu bringen.

Außerdem half sie dabei, christliche Werte in anderen europäischen Ländern zu verbreiten. In der römisch-katholischen Kirche gilt sie als Schutzpatron der Königinnen und des vereinten Europas. Dementsprechend ist Hedwig in Polen immer noch sehr präsent, wogegen sie in Litauen vor allem als Gemahlin von Jogaila bekannt ist. Da Hedwig viele liturgische Gegenstände und Bücher für die Kathedrale St. Stanislaus in Vilnius und andere frühe litauische Kirchen gestiftet und dadurch stark zur Verbreitung des katholischen Glaubens und der Lesekultur in Litauen beigetragen hat, wird sie auch Apostel Litauens genannt.

Das berühmteste Relikt der Hedwig von Polen ist das Rationale der Heiligen Hedwig, ein Teil des bischöflichen Ornats, das in der Wawel-Kathedrale (zu besonderen Messen) immer noch getragen wird und von Hedwig selbst angefertigt wurde. Einer Überlieferung nach gab sie auch den Auftrag für eines der bedeutendsten mittelalterlichen Kunstwerke in polnischer Sprache, den Florianer Psalter (Psalterium trilingue), die älteste bekannte Übersetzung des Buchs der Psalmen ins Polnische. Ein Bildnis von Hedwig zierte nach dem Ersten Weltkrieg polnische Banknoten und eine neue Banknote mit Hedwig ist geplant, wurde jedoch noch nicht herausgegeben.

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Margarethe und die Union von Dänemark, Norwegen und Schweden

Margarethe I. (1353–1412) war die Tochter des dänischen Königs Waldemar IV. und seiner Frau Helvig von Schleswig. Im Jahr 1363 wurde sie im Alter von 10 Jahren mit Håkon VI. von Norwegen verheiratet. Durch ihre Ehe erhielt sie in zwei Reichen den Titel einer Königin, weil Håkon für kurze Zeit auch über Schweden herrschte. Ihr Sohn Olav wurde 1370 geboren. Margarethe war die bei weitem mächtigste Frau im Nordeuropa des Mittelalters.

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Der Einfluss Margarethes auf die internationale Politik und insbesondere auf Dänemark, Schweden, Norwegen und Deutschland, begann nach dem Tod ihres Vaters Waldemar IV. im Jahr 1375. Da sie sein einziges überlebendes Kind war, hatte Waldemar IV. vermutlich ihren Sohn zu seinem Nachfolger bestimmt, obwohl er zuvor den Sohn seiner älteren Tochter, Albert IV. Herzog von Mecklenburg als Nachfolger ins Spiel gebracht hatte. In der Wahlmonarchie Dänemark lag die endgültige Entscheidung jedoch beim Reichsrat.

Bis zum Tod ihres Vaters lebte Margarethe aufgrund ihrer Ehe mit dem norwegischen König Håkon in Norwegen in der Festung Akershus. Nach dem Tod von Waldemar IV. ging sie mit ihrem fünfjährigen Sohn Olav zurück nach Dänemark, wo dieser 1376 zum König gewählt wurde. Aufgrund seines geringen Alters wurde die Regentschaft seinen Eltern Margarethe und Håkon und dem dänischen Reichsrat übertragen. Nur vier Jahre später starb Håkon, wodurch der nunmehr 10 Jahre alte Olav König von Dänemark und Norwegen wurde. Als Regentin herrschte Margarethe über beide Königreiche und bestimmte auch deren Außenpolitik. Die beiden vereinigten Königreiche stellten in Nordeuropa eine starke Macht dar. Als Olav 1387 mit 17 Jahren starb, musste ein neuer Erbe für Margarethe gefunden werden.

Dennoch wurde Margarethe in rascher Reihenfolge als Herrscherin zunächst Dänemarks und dann Norwegens anerkannt, eine Position, die sie nunmehr eigenständig und nicht mehr als Mutter des Königs innehatte. Sie konnte die Königreiche so lange regieren, bis die Reichsräte und sie sich auf einen neuen König geeinigt hatten. Die norwegische Verfassung legte nahe, den neuen König zunächst dort einzuführen. 1389 hatte sie erreicht, dass ihr Adoptivsohn Erich, auch Erich von Pommern genannt, als König von Norwegen anerkannt wurde.

In Schweden waren 1364 Håkon VI. und dessen Vater Magnus vom schwedischen Thron gestoßen worden. Als neuer König wurde Albert III. von Mecklenburg, ein Neffe von König Magnus zum König bestimmt. Als König Albert wichtige Schlüsselpositionen im Reich mit deutschen Rittern besetzte, brachte er jedoch große Teile des schwedischen Adels und Klerus gegen sich auf. Deren Vertreter nahmen Kontakt mit Königin Margarethe auf, die von ihrem verstorbenen Gemahl auch einige Gebiete in Westschweden geerbt hatte.

Mit Margarethes Hilfe wurde König Albert aus Schweden verjagt. Es dauerte noch ein paar Jahre, bis die neue Situation international anerkannt war und die rechtlichen Grundlagen für das künftige vereinigte Königreich standen, aber 1396 war der junge Erich schließlich auch gewählter König von Dänemark und Schweden. Im folgenden Jahr versammelte sich der skandinavische Klerus und Hochadel in der schwedischen Küstenstadt Kalmar, wo Erik im Alter von 15 Jahren als König der drei zur neuen Union gehörenden Königreiche gekrönt wurde.

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In der Praxis behielt Königin Margarethe bis zu ihrem Tod im Jahr 1412 in den drei Königreichen die Zügel in der Hand. Damit herrschte sie über ein riesiges Gebiet, das sich über Meere und Länder erstreckte und von Grönland im Westen bis Karelien an der Grenze zu Russland im Osten reichte. Ihre Fähigkeit, sich langfristige Ziele zu setzen und diese mit unerbittlicher Entschlossenheit zu verfolgen, nötigte Freunden wie Feinden Ehrfurcht und Bewunderung ab. Sie konnte Menschen, die sich ihr widersetzten gnadenlos verfolgen; ihre Herrschaft war jedoch in den meisten Bereichen ein unbestreitbarer Erfolg und sollte, zum größten Teil, als Ära des Friedens und zunehmenden, wenn auch stark besteuerten, Wohlstands in Erinnerung bleiben. Eine Ausnahme in dem von der Pest und endemischen Konflikten geplagten Europa ihrer Zeit.

Die Kalmarer Union überlebte ihre Gründerin und dauerte bis 1523, als sich Schweden endgültig von der Union lossagte. Heute teilen sich fünf Länder die Nachfolge der drei vereinigten Königreiche. Jedes davon hat seine eigene Geschichtsschreibung über die Unionszeit. Im Folgenden werden ein paar populärwissenschaftliche Darstellungen zu Königin Margarethe und der Kalmarer Union aus Dänemark und Schweden vorgestellt.

Wenn man die Entschlusskraft verstehen will, mit der Margarethe I. ihre Pläne verfolgte, sollte man zwei Dinge nicht vergessen. Erstens war sie die Tochter des sehr erfolgreichen und visionären Königs Waldemar IV., der das Königreich Dänemark, das in den 1330er Jahren praktisch nicht mehr bestand, wiederhergestellt und vereinigt hatte. Die Vereinigung von Norwegen, Dänemark und Schweden war sein Traum, den sie weiterverfolgte und verwirklichte. Zweitens war sie durch ihre Heirat mit Håkon IV. bereits einmal kurz Königin zweier Reiche, Norwegen und Schweden, auch wenn Håkon Schweden nach einem Jahr schon wieder verlor. Margarete wurde als wahre Königin Schwedens erzogen und ausgebildet und gab ihren Titel und ihre Ansprüche niemals auf.

Gedenken an Margarethe in Dänemark

Im heutigen Dänemark ist das Andenken an Margarethe I. sehr präsent. Schon der Name der regierenden Königin Margarethe II. (1972–heute) erinnert die Dänen daran, dass sie in der Vergangenheit schon einmal eine Königin dieses namens hatten. Diese beiden Margarethen sind die einzigen weiblichen Monarchen in Dänemark, seit in der Mitte des 10. Jahrhunderts Gorm der Alte in Dänemark geherrscht hatte.

Die Erinnerung an Margarethe I. geht aber über die Namensgleichheit mit der heutigen Königin hinaus. Ihre Rolle als diejenige, die „den Norden vereinte“, wie man oft hört, ist stark verankert. Das sieht man auch an den Lehrplänen der staatlichen Schulen in Dänemark. Die Liste enthält 29 historische Themen vom Leben in der Steinzeit bis zum Terroranschlag auf New York am 11. September 2001. Die Gründung der Union von Dänemark, Norwegen und Schweden im Jahr 1397 steht auch auf dieser Liste. Es gibt an verschiedenen Orten in Dänemark mindestens zwei Gedenksteine für Margarethe I. und zwei Statuen. Ihre Gebeine liegen mit denen zahlreicher andere dänischer Könige und Königinnen im Dom zu Roskilde. Margarethe I. ist aber auch eine wichtige Figur in dem neuen unterhaltsamen Geschichtsprojekt „Sigurds Danmarkhistorie“ für Kinder, das aus einem zweibändigen Buch, einem Brettspiel, einem Computerspiel, einer Fernsehserie und einem Musikalbum über die dänische Geschichte besteht. Im Brettspiel über die Geschichte Dänemarks können die Kinder die Figur Margarethe I. einsetzen, im Buch können sie die Geschichte der Union von Dänemark, Norwegen und Schweden nachlesen und bei einer der Aufgaben im Computerspiel geht es ebenfalls um Margarethe I.

Erinnerung an Margarethe in Schweden

Die schwedische Geschichtsschreibung zeichnet ein differenziertes Bild von Königin Margarethe. Bei ihrem Tod galt sie als durchtriebene, aber erfolgreiche Herrscherin. In der frühen Neuzeit, einer Zeit häufiger Konflikte zwischen Dänemark und Schweden, und in der späteren Geschichtsschreibung bestand die Tendenz, ihre dänische Herkunft zu betonen, obwohl sie ab ihrem zehnten Lebensjahr auch norwegische und schwedische Königin war und entsprechend ausgebildet wurde. Dennoch wurde sie als eine Art dänische Imperialistin porträtiert, die trotz der theoretischen Union Ausländer als Vögte und Kommandanten nach Schweden schickte.

In jüngerer Zeit lässt sich ein positiveres Bild erahnen; sie wird als bedeutende Herrscherin und Visionärin und als Urheberin der Nordischen Union geschätzt. Durch mehrere Kinderbücher wurde sie sogar zu einer Art Rollenmodell für schwedische Mädchen.

Im Jahr 1997 wurde der 600. Jahrestag der Kalmarer Union in Schweden ausgiebig gefeiert; insbesondere in Kalmar, wo die Staatsoberhäupter der fünf modernen nordischen Staaten zu einem Festakt zusammenkamen. Im Fernsehen lief eine beliebte Serie für Kinder (Salve) mit König Erich als eine der Hauptpersonen und das Jubiläum wurde mit Theaterstücken und Konferenzen begleitet. Auch die tiefgehende Studie des Historikers Michael Linton zu Königin Margarethe aus dem Jahr 1971 wurde in einer leichter zugänglichen Ausgabe neu aufgelegt.

In schwedischen Schulen zeigt sich ein uneinheitliches Bild. An Grundschulen wird eine eher neutrale Darstellung der Union als Teil der schwedischen Geschichte gelehrt. In den Oberschulen dient sie dagegen eher als Hintergrund für das Handeln Gustav Wasas, der traditionell als derjenige betrachtet wird, der Schweden befreit und die Verwaltung des Landes modernisiert hat.

Sagan om Grållen von Bertil Almqvist (1959) ist ein humoristisches Bilderbuch über die schwedische Geschichte, in der Schweden als Pferd und seine Herrscher als Reiter dargestellt werden. Die Regentschaft von Königin Margarete wird in diesem Zusammenhang als Fremdherrschaft beschrieben, als Herrschaft, für die immer der Reichsrat verantwortlich ist, der jeden Herrscher absetzt, mit dem er nicht einverstanden ist. Margarete selbst wird– vielleicht – nicht nur schlecht dargestellt, wogegen die Herrschaft ihres Ziehsohns Erich Schweden ins Elend stürzt.

Die Reichsherren [...] importierten nun (1371) einen deutschen Dressurmeister, Albert von Mecklenburg, der mich, den armen schwedischen Ackergaul disziplinieren sollte.
Aber – häst [=Pferd] hast Du mir gesehen!
Plötzlich hatte ich eine schöne und strenge dänische Dame auf dem Rücken!
Die Reichsherren hatten sich mit Albert verrechnet. Sobald er im Sattel saß, tat er alles, um Schweden zu einer deutschen Kolonie zu machen und fing an, deutsche Fürsten in schwedische Herrenhäuser zu setzen. In ihrer Not baten die Reichsherren Margarete, Königin von Dänemark und Norwegen, bitte nach Schweden zu kommen und über das Land, und damit auch mich, zu herrschen!
1397 („Kalmarer Union“) gab sie ihrem Ziehsohn Erich von Pommern alle drei Kronen. So war ich nun zu einem Zugpferd für Steuern geworden und hatte das zweifelhafte Vergnügen, die Steuern, die die Vögte des Königs (der schlimmste von ihnen war ein Mann namens Jösse Eriksson) aus den armen schwedischen Bauern herausgeprügelt hatte, nach Kopenhagen zu ziehen. Du musst wissen, dass Erich von P. ständig gegen die drohende deutsche Oberhoheit über die nordischen Länder Krieg führte, und das war sehr teuer.
- Bertil Almqvist 1959, Sagan om Grållen. 1859, keine Seitenzahlen.

Dag Sebastian Ahlander, Margareta: Drottningen som visste vad hon ville (Margarethe: Die Königin, die wusste, was sie wollte), 2002, ist ein von einem schwedischen Diplomaten geschriebenes Kinderbuch.

Epilog
Es war mir ein besonderes Vergnügen, dieses Buch über Margarethe, die Königin von Schweden, Norwegen und Dänemark zu schreiben. In Schweden hatten wir die beklagenswerte Tendenz, sie aus unserer Geschichte zu tilgen. Deshalb will ich die Aufmerksamkeit auf das Schicksal dieser bemerkenswerten Frau lenken.
Wir haben eher auf die Meinung von Karl Knutsson Bonde und Gustav Wasa zur Union gehört, obwohl die Könige dieser Union zu deren Zeit Christoph III. und Christian II. (Christian der Tyrann) hießen. Dennoch hatte Margarethe erreicht, wovon viele in der Geschichte des Nordens geträumt hatten: Recht und Ordnung in einem vereinigten Norden. Die ersten dreißig Jahre waren eine friedliche und glückliche Zeit für die drei nordischen Königreiche.
Aus diesen Gründen ist Margarethe eine große Europäerin – und eine große Schwedin. Obwohl sie als dänische Prinzessin geboren wurde, wurde sie von Märta, der Tochter der Heiligen Brigitte, erzogen, und schrieb auf Schwedisch als Muttersprache. Durch ihre Heirat mit König Håkon im Jahr 1363 wurde sie schwedische Königin. 1388 wählten sie die Schweden zu Herrin und rechtmäßigen Herrscherin Schwedens und sie regierte das Land bis zu ihrem Tod im Jahr 1412.
- Dag Sebastian Ahlander. Margareta: Drottningen som visste vad hon ville. 2002. S. 103.

Boken om historia 1 (Stina Andersson and Elisabeth Ivansson, 2007) ist ein Geschichtsbuch für schwedische Grundschulen.

Margarethe wird unter der Überschrift „Margarethe, eine mächtige Königin“ porträtiert. Darin steht, dass sie in Dänemark geboren ist und ihr Vater sie, als sie neun war, mit dem „König von Norwegen“ verlobte. Nach dem Tod ihres Vaters, ihres Ehemanns und ihres Sohns wählten sie die Einwohner und Reichsherren der beiden Königreiche zur Regentin. In Schweden hatte der Reichsrat dagegen Albert von Mecklenburg gewählt, dies jedoch bald bereut. Sie wollten, dass Margarethe sie befreit. Albert machte sich jedoch über sie lustig und gab ihr den Spottnamen „König Hosenlos“. Sie solle zuhause bleiben, wie andere Frauen auch, und sich nicht zum Gespött machen, indem sie in den Krieg ziehe. Dennoch errang sie den Sieg und wurde Königin des gesamten Nordens, eines mächtigen Reiches, das sich von Finnland, das damals zu Schweden gehörte, bis nach Island erstreckte, das damals zu Dänemark (irrtümlich statt Norwegen) gehörte. Sie schuf die Kalmarer Union, und ein Dokument mit Regeln für diese Union wurde in Kalmar unterzeichnet, wo ihr Adoptivsohn Erich gekrönt wurde, der diesen schwedischen Namen gewählt hatte, um den Schweden zu gefallen.

Aber obwohl Erich gekrönt wurde, übte sie weiter die Herrschaft aus. Sie wollte eine gerechte Königin sein, und bestimmte, dass auch die Ritter und die Reichen Steuern zahlen mussten, und nicht nur die Bauern. Es war ihr egal, dass dies viele verärgerte. Sie wählte Mitarbeiter aus, die ihre Einstellung teilten.
Nach ihrem Tod, regierte Erich. Aber die Schweden mochten ihn nicht, weil er schwedische Bauern durch Vögte aus Dänemark und Pommern beherrschen ließ, die ihre Bauern anders behandelten, als die schwedische Landbevölkerung es gewohnt war. Er wurde Erich von Pommern genannt, weil er nicht als Schwede, sondern als Pommer galt. Auf Seite 157 steht sie auf einer Liste der „berühmten Schweden im Mittelalter“.

Fragen zur Reflexion

  1. Wenn man die beiden Königinnen vergleicht – was haben sie gemeinsam? Worin unterscheiden sie sich?
  2. Vergleiche, wie die Königinnen in unterschiedlichen Ländern heute gesehen werden? Warum – geht es um Politik? Wird ihr Bild davon beeinflusst, dass sie Frauen sind (und wenn ja, wie)?

Weiterführende Literatur

  1. Anders Bøgh. 2012. Margrete 1., 1353–1412. https://danmarkshistorien.dk/leksikon-og-kilder/vis/materiale/margrethe-1-1353-1412/ (Stand: 22. November 2018).
  2. Norman Davies. God's Playground: A History of Poland, Volume I: The Origins to 1795 (Ein Geschichte Polens, Band I: Die Anfänge bis 1795) (Überarbeitete Ausgabe). New York City, Columbia University Press, 2005.
  3. Vivian Etting. Queen Margrete I, 1353–1412, and the Founding of the Nordic Union (Königin Margarethe I., 1353–1412 und die Gründung der Nordischen Union). Leiden, Brill, 2004.
  4. Robert I Frost. The Oxford History of Poland-Lithuania, Volume I: The Making of the Polish-Lithuanian Union, 1385–1567 (Die Oxford-Geschichte von Polen-Litauen, Band I: Die Gründung der polnisch-litauischen Union, 1385–1567). Oxford, Oxford University Press, 2015.
  5. Oscar Halecki. Jadwiga of Anjou and the Rise of East Central Europe (Hedwig von Anjou und der Aufstieg Ostmitteleuropas). Polish Institute of Arts and Sciences of America, 1991.
  6. Zigmantas Kiaupa. The history of Lithuania (Die Geschichte Litauens). Vilnius, Baltos lankos, 2002.
  7. Andrzej Rachuba, Jūratė Kiaupienė und Zigmantas Kiaupa. Historia Litwy: Dwugłos polsko-litewski (Geschichte Litauens: Ein polnisch-litauischer Dialog). Warschau, DiG, 2008.
  8. Liv Thomsen. Historiens heltinder (Heldinnen der Geschichte). Kopenhagen, Gyldendal, 2014.
  9. Michał Tymowski. Une histoire de la Pologne (Eine Geschichte Polens). Montricher, Les Éditions Noir sur Blanc, 1993.