2.13 Gustaw II. Adolf

Anders Fröjmark, Jörg Hackmann, Lea Kõiv, Janet Laidla, Mati Laur


In der Frühen Neuzeit war die Ostsee von einem wachsenden schwedischen Reich umrahmt. Militär- und Verwaltungsreformen ermöglichten dem entfernt im Norden liegenden Schweden den Aufstieg zu einer europäischen Großmacht. Einer der Herrscher, der mit dem schwedischen Erfolg in Verbindung stand, ist Gustav II. Adolf (1594-1632). Seine Reform der Armee verhalf Schweden während des Dreißigjährigen Kriegs in Europa den Aufstieg zu einer Militärmacht. Er wird manchmal als einer der größten Militärführer aller Zeiten oder „Löwe aus dem Norden“ bezeichnet.

Gustav II. Adolf und seine Nachfolger und Ratgeber reformierten den Staatsdienst mehrfach. Im 17. Jahrhundert wurde die Universität von Uppsala reformiert, in Tartu (1632), Åbo/Turku (1640) und Lund (1666) wurden neue Universitäten gegründet, und es entstanden weitere Bildungsinstitutionen, wie das „Gymnasium“ in Tallinn (1631). Die Absicht der schwedischen Herrscher, das Bildungsniveau der einfachen Menschen zu erhöhen, gipfelte in dem Aufbau eines Netzwerks von Volksschulen. Im (späteren Teil des) 17. Jahrhunderts war Schweden als Bollwerk des Luthertums bekannt und verfolgte die religiöse Erziehung der Nation sowie die Einheit der Lutherischen Kirche in all seinen Herrschaftsgebieten. In den baltischen Provinzen förderten die Kirche und Bildungspolitik Schwedens die Entwicklung der estnischen und lettischen Orthografie und Grammatik.

All dies führte dazu, dass die schwedische Großmachtzeit im 17. Jahrhundert vielfältig rezipiert wird. In der estnischen Geschichtsschreibung und dem nationalen Bewusstsein ist die Zeit beispielsweise als „die gute alte schwedische Zeit“ bekannt, im Gegensatz zur zaristischen Herrschaft des 18. Jahrhunderts, die dem deutsch-baltischen Adel eine große Autonomie einräumte. Die Rezeption in deutschen Quellen ist wesentlich vielseitiger und unterscheidet sich in hohem Maße von der polnisch-litauischen Perspektive, die den polnisch-schwedischen Krieg von 1655-1660 aufgrund der enormen Verwüstungen, die er verursachte, als „Sintflut“ bezeichnet.

In Schweden wird Gustav Adolf hauptsächlich als Kriegskönig gesehen, obwohl er auch als Förderer von Universitäten, zum Beispiel als wahrer Gründer der Universitätsbibliothek von Uppsala, erinnert werden sollte. Deren Bestand ist zum großen Teil Kriegsbeute und polnische Forscher veröffentlichen Kataloge mit Büchern der Universitätsbibliothek von Uppsala, die einst in polnischen Bibliotheken standen.

Gustav Adolf wird auch als Gründer vieler Städte erinnert, wie Göteborg in Schweden und Nystad/Uusikaupunki in Finnland, und sein Todestag, der 6. November, wird mit einem speziellen Gebäck gefeiert.

Gustav Adolf eroberte Riga 1621 – eine Episode in den wiederkehrenden polnisch-schwedischen Kriegen im 17. Jahrhundert. Ein viel späteres, historisierendes Buntglasfenster in der Kathedrale von Riga aus dem Jahr 1884 erinnert daran. Kinder grüßen in dem Bild den Eroberer von Riga mit Blumen, als er die Kathedrale betritt. Andere feiern ihn als Verteidiger des Protestantismus – erkennbar an der Bibel in der Hand des Geistlichen.

Rigas doms stainedglass.png


Schlaflied „Die Schweden sind gekommen“
Es gibt zwei Kinderlieder, die eine interessante Perspektive auf die schwedische Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg eröffnen:

Die Schweden sind gekommen
Haben alles mitgenommen
Haben’s Fenster eingeschlagen
Haben’s Blei davon getragen
Haben Kugeln daraus gegossen
Und die Bauern erschossen.
- Macht auf das Tor – Alte deutsche Kinderlieder. Ed by von Maria Kühn. Königstein im Taunus, 1905.

Dies ist ein weiteres, ähnliches Schlaflied, das die Kinder mit der anrückenden schwedischen Armee in den Schlaf ängstigte. Axel Oxenstierna (1583-1654) war Ratgeber von König Gustav II. Adolf und von Königin Christina und spielte eine wichtige Rolle im Krieg.

Bet’t Kinder, bet’t
Morgen kommt der Schwed’
Morgen kommt der Oxenstern
Wird die Kinder beten lern’n
Bet’t Kinder, bet’t
- Der Kinder Lustfeld. Ed by H. Dittmar. Frankfurt, 1827. Neue Auflage von Gottlob Dittmar. Bielefeld, 1872-1878.

Der Dreißigjährige Krieg war ein wichtiges Thema in der Dichtung, die an der Academia Gustaviana in Tartu entstand. Die Dichter betrachteten den Krieg als eine Untugend, verherrlichten aber Gustav II. Adolf als tapferen General und heldenhaften Sieger. Ein Auszug aus einem Gedicht von Georg Stiernhielm, einem schwedischen Beamten, Dichter und Gelehrten aus Tartu:

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Oh Schwede, unsere Tugenden wurden als barbarisch verlacht
Und unsere Belesenheit als lächerlich von
Deutschen, Franzosen, Italienern
und den schamlosen Spaniern;
Und dachten, es sei gut zu rufen
Einen Schweden beschämend einfach.
Nun, jedoch, (was für eine wunderbare Veränderung!)
Schau, die Deutschen, Franzosen, Italiener
Und die schamlosen Spanier
Und die Welt – erstarren
Wegen deiner Schönheit und Eleganz.
Die sie erkennen und verehren,
Schweden, du gebildete Nation,
Deine Kriegsführung und deine Musen.
Doch woher kamen die Veränderungen?
Woher sonst, als von Gott gegeben
Der Nationen einen erlesenen Führer;
Er bereichert selig
Uns mit Glück.
GUSTAV, großer Held,
Majestätisch und weise,
Gottesfürchtig triumphiert er
Mit Tugend, Krieg und Bildung
Fähig, mächtig, schön
Ist er es, der
für seine Nation steht
Und für deren Glück
In dankbarer Herrlichkeit.
/--/

Gustav II adolph.png


Die Statue wurde 1928 zum 10. Jahrestag der Unabhängigkeit der estnischen Republik und in Erwartung des 300-jährigen Jubiläums der Universitätsgründung eingeweiht. In der sowjetischen Ära wurde die Statue abgerissen und zerstört (ein Teil des Stiefels ist erhalten geblieben und liegt im Museum der Universität Tartu). 1992 wurde eine neue Statue errichtet.

Fragen zur Reflexion

  1. Vergleiche die deutschen und schwedischen Quellen und diskutiere die verschiedenen Perspektiven auf die schwedische Herrschaft im 17. Jahrhundert.
  2. Diskutiere die Bedeutung der Einweihung der Statue eines schwedischen Königs während der Feiern zum 100. Jahrestag der Republik Estland.
  3. Wie wird die Frühe Neuzeit Schwedens in der Geschichte deines Landes dargestellt?


Weiterführende Literatur

  1. Marcus Junkelmann. Gustav Adolf (1594-1632): Schwedens Aufstieg zur Großmacht. Pustet, Regensburg, 1993.
  2. Michael Roberts. The Swedish imperial experience 1560-1718. (Das schwedische Reich 1560-1718) London, Cambridge University Press, 1979.